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Rudyard Kipling

Lyrik

Wenn...
Wenn Du beharrst, da alle um dich zagen
Und legen ihren Kleinmut dir zur Last,
Vertrau'n zu dir bewahrst, da and're dir's versagen,
Doch auch Verständnis für ihr Zweifeln hast;
Wenn du zu warten weißt und bleibst gelassen,
Betrogen, fern dich hältst von dem Betrug,
Wenn du, gehaßt, dich hütest mitzuhassen
Und doch zu gut nicht scheinst noch sprichst zu klug,

Wenn träumend du nicht sinkst im Traumes-Sumpfe
Und denkend Denken nicht zum Ziel dir machst,
Wenn du begegnend Unglück und Triumphe
Die zwei Betrüger gleicherweis' verlachst;
Wenn du die Wahrheit, die du sprachst, kannst hören
Von Buben frech zum Narrenfang verdreht,
Kannst zuschau'n, wie sie, was du schufst, zerstören,
Dich beugst und baust, bis es von neuem steht.

Wenn du vermagst, was du nur hast, zu raffen,
Und legst auf eine Karte alles hin,
Verlierst - und fängst von vorne an zu schaffen
Und wirst dabei die Miene nicht verzieh'n;
Wenn du das Herz, die Nerven und die Sehnen,
Zum Dienst zwingst, da sie letzte Kraft verläßt,
Dastehst mit hart zusamm'gebiß'nen Zähnen,
Wenn nichts, als nur der Wille sagt: Steh fest! Steh fest!

Wenn du dem Volke reinen Wein kannst schenken,
Mit Königen in schlichtem Umgang steh'n,
Wenn weder Feind dich kann noch Freund dich kränken,
Wenn alle nah, doch nicht zu nah dir geh'n;
Wenn jede Stund' erfüllst mit ihrem Werte,
Daß keine je vergeblich dir zerrann:
Dein ist mit allem, was sie trägt, die Erde
Und - noch mehr als das - du bist ein Mann!
Du bist ein Mann, mein Sohn!


Übersetzer: Lothar Sauter

ODER:

Wenn du den Kopf behältst, falls sie dich rügen
Dafür, dass sie verlor'n ihr eig'nes Haupt,
Wenn alle zweifeln, lässt du dich nicht trügen,
Und gibst noch zu, ihr Zweifel sei erlaubt,

Wenn warten kannst du, ohne zu erlahmen,
Und Lug verdammst, auch wenn man dich belügt,
Wenn man dich hasst, du ablehnst, nachzuahmen,
Und wenn bescheid'ne Weisheit dir genügt,

Wenn deine kühnsten Träume dich nicht binden,
Wenn dein Gedanke nicht zum Selbstzweck wächst,
Wenn kannst du dich mit Sieg und Sturz abfinden,
Und beide Schwindler gleichermaßen deckst,

Wenn du erträgst das Wort, das du gesprochen,
Verzerrt vom Schuft, um Narr'n zu irritier'n,
Und einsteckst, wenn du siehst dein Werk zerbrochen,
Und baust es auf von vorn auf allen Vier'n.

Wenn du den ganzen Haufen an Gewinnen
Beim simplen Münzwurf zu verspiel'n riskierst,
Dabei bereit, von Null an zu beginnen,
Und nicht ein Wort über dein Pech verlierst,

Wenn Herz und Nerv und Sehne kannst du zwingen
Dir noch zu dienen, wenn sie längst verweht,
Damit du stehst, wenn Risse dich durchdringen,
Und bloß dein Wille ihnen vorschreibt: "Steht!"

Wenn du mit Sitte sprichst zu Menschenheeren,
Und vor dem König bleibst dem Volk loyal,
Wenn weder Feind noch Freund kann dich versehren,
Wenn man dich hoch schätzt, doch nicht kolossal,

Wenn du erfüllst die herzlose Minute
Mit tiefstem Sinn, empfange deinen Lohn:
Dein ist die Welt mit jedem Attribute,
Und mehr noch: dann bist du ein Mensch, mein Sohn!

Übersetzer: Izzy Cartwell





Der Schöpfer des "Dschungelbuches mal anders

 
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